FARBE,
FLÄCHE, ENERGIE
Gabriele
Salzmanns atmosphärische Bildräume von Hartwig Knack
“Ursprünglich stand der Mensch, die Figur, das Porträt im Zentrum
meines bildnerischen Interesses, unter anderem auch deshalb wählte ich das
Studium in der Meisterklasse von Maria Lassnig.“, ist einem aktuellen Statement
Gabriele Salzmanns zu entnehmen. Schon kurze Zeit nach ihrem Diplom an der
Wiener Hochschule für Angewandte Kunst im Jahr 1990 begann sich die in Salzburg
geborene Künstlerin jedoch sukzessiv von der Figuration zu lösen. Mehr und mehr
verlagerte sich Gabriele Salzmanns Fokus auf die Fragestellungen nach Farbe,
Raum, Fläche und deren Kräfteverhältnis untereinander.
Farbe, Raum und Fläche in ihrem Spannungsverhältnis sind auch
heute nach wie vor die Protagonisten in Gabriele Salzmanns Malerei. Bildtitel
wie etwa “Magenta 4fach vertikal, 3fach Cyan quer“ oder “Orange-Rosa-Gelbgrün
quer überlagert“ machen deutlich: Zum Kernthema der Künstlerin gehören
kompositorischer Bildaufbau und Farbe per se, zwei Komponenten, mittels derer
sie faszinierende abstrakt- reduzierte Bildräume erschließt.
Die monochromen Flächen der Leinwände werden
von horizontalen und vertikalen gestisch ausgeführten Strukturen durchbrochen,
die an breite Farbstriche erinnern. In ihrem Zusammenspiel lassen sie farblich
exakt durchgeplante oszillierende Raumgefüge entstehen. Die Wechselbeziehung
zwischen Zwei- und Dreidimensionalität scheint in Gabriele Salzmanns Bildern zur künstlerischen Passion erhoben und entpuppt
sich als wahrhafter Kunstgriff: Durch die geometrisch angelegten
Farbflächen einerseits und die linear platzierten heterogenen Streifen
andererseits schafft die Künstlerin ein plastisches Davor und Dahinter, das
vielschichtige Raumsituationen konstituiert, deren Größenordnungen stets im
vagen bleiben. Die BetrachterInnen können sich in vielen Fällen nicht sicher
sein, ob sich die “Pinselstriche“ im Vorder-, Mittel,- oder Hintergrund
befinden.
“Kunst hat immer auch mit Illusion und
Täuschung zu tun.“, schreibt die Malerin im Dezember 2010 im “Kurztext zu
meinen Arbeiten“. So erinnern verschiedene mit schmalen vertikalen Streifen
ausgeführte Gemälde, zum Beispiel “Raum Ocker lasiert“ von 2006, an Werke der
englischen Malerin Bridget Riley, eine der wohl bekanntesten zeitgenössischen Vertreterinnen
der Op-Art. Anders als bei Riley finden wir bei Salzmann aber keine aggressiv bewegten
Oberflächen und grelle Kontraste, hingegen eine eher kühle Farbpalette, die dem
Auge genügend Zeit gewährt, sich in der Tiefe der verschiedenen Bildebenen zu
verlieren.
In anderen Bildern Gabriele Salzmanns – im Detail
und aus spitzem Winkel betrachtet – entwickeln vermeintlich flache Farbebenen
ein überraschendes Eigenleben. Einzeln und in einer Art Kreuzschraffur gesetzte
Pinselstriche werden sichtbar, die die Flächen als Farbräume flimmern lassen. Aber Salzmann verlässt sich in ihrer Kunst nicht ausschließlich
auf die Macht der optischen Täuschung. Die Künstlerin begreift Farbe und Form
als autonome Einheiten, die sich als visuelle Kräfte energetisch ergänzen.
Reduktion der Form auf der einen, expressiver Gestus der Farbstriche auf der
anderen Seite scheinen sich zum Wohl einer meditativen Grundstimmung stetig in
einer gewissen Balance halten zu wollen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt Gabriele Salzmanns Malerei ist die geniale
Einfachheit in der Formgebung. In ihren Arbeiten entwickelt sie diese durch
eine konsequente Reduktion auf die schon erwähnten Elemente Farbfläche, Farbstrich
und deren Zusammenstellung. Diese klaren, zuweilen asketisch anmutenden
Strukturen sind beeinflusst von der US-amerikanischen Minimal Art. Agnes
Martin, Morris Louis und auch Jackson Pollock nennt die Künstlerin in diesem
Kontext und verweist damit zugleich auf ihren künstlerischen Anspruch
elementarer Reduzierung und abstrakter Bildsprache. Durch die zuweilen sehr
spontan, zuweilen aber auch konzentriert gesetzten Farb- und Pinselstriche
entsteht allerlei Neues, das weit über stereometrische Grundformen der Minimal
Art hinausgeht. Die von den amerikanischen Wegbereitern vorgegebene Strenge
durchbricht Gabriele Salzmann im wörtlichen Sinn mit expressiv-gestischem
Schwung. Auf vielfältige Weise thematisieren ihre Werke durch enorme
Tiefenwirkung die Raum- und Objekthaftigkeit von Malerei und den imaginären
Schritt heraus aus der zweidimensionalen Leinwandfläche.
„Schweben ist immer ein Thema für mich.“, sagt Gabriele Salzmann
und erzählt von ihrer Technik, durch lasierend verwendete Ölfarben Strukturen
und Ebenen im Bildraum „weiter wegbringen“ zu wollen. Seit einiger Zeit setzt
sie in einer Serie kleinformatiger Arbeiten Licht und Schatten als minuziös
geplantes Gestaltungs- und Kompositionselement ein und bereichert ihre
abstrakte Bildwelt durch eine spannende Facette der Gegenständlichkeit. Zumindest
scheint es so. “Raumschweben“ betitelt die Künstlerin diese mit Aquarell und
Acryl auf Büttenpapier ausgeführte Blattfolge. Kaum glauben die
Kunstinteressierten, einen Schattenwurf ausgemacht zu haben, kämpfen sie schon
im nächsten Moment wieder gegen eine gewisse Verunsicherung an. Ist der
Schatten tatsächlich ein Schatten oder doch eine durch vermeintlich
hintereinander gestaffelte Farbstriche hervorgerufene Tiefenillusion? Sicher
sein kann sich niemand bei Gabriele Salzmanns Malerei und gerade deshalb
faszinieren die Werke und wecken unterschiedlichste Bedürfnisse: Fast möchte man
in die kontemplativen Bildräume eintauchen, schwebend die meditative Wirkung
der Abstraktionen erfühlen und das unbekümmerte fließen lassen der Farbe
miterleben. Das Spektrum der räumlichen Ebenen macht sichtbar,
wie sich schichtweise Farbenergie intensiviert, ausgleicht und atmosphärische
Zwischentöne erzeugt. Die Dichte des Farbauftrags bestimmt
auch immer das Gewicht und damit den Zustand des Schwebens.
Gabriele Salzmann scheint mit ihrer sinnlichen Malerei eine Art neuer rhythmischer
Raumordnung schaffen zu wollen. Wir blicken auf ein ruhiges und
kontemplatives Werk, das trotzdem nach farblicher Intensität und
ausdrucksvollem Gestus strebt. Die optische Bandbreite der Gemälde erstreckt sich über die Wechselbeziehung
zwischen Kompaktheit und Leere, bis hin zur Schärfe in der Fläche und sanften
Gestaltung in mutmaßlichen Schatten und modellierten Farbstreifen. Dem Anschein nach plastisch aus dem Bild heraustretende Formen
sind nicht zuletzt dem differenzierten Umgang mit Farbe und der Malerei an sich
geschuldet. Zwei Dinge, die wesentlich für Gabriele Salzmanns Malerei sind. Als Urphänomen der menschlichen Erfahrungswelt verwendet sie Farbe
malerisch in ihrer Raumwirkung und als subjektiven Ausdruck. Genau abgestimmte Farbmodulationen
gehören zu den elementaren Grundlagen ihrer Malerei. Viel Zeit verwendet die
Künstlerin für das außerordentlich nuancierte Anmischen der Farben um in der
Folge im vollendeten Werk zu einem ihrem Anspruch gemäßen perfekten Ergebnis gelangen
zu können.
Gabriele Salzmanns durchwegs
ungegenständliche Kunst vermag immer wieder gegenständliche Assoziationen zu
wecken, gelegentlich auch unterstützt durch Titel, die Worte wie “überlagert“,
“gebogen“ oder “gedreht“ beinhalten. Unabhängig von Wärme und Kälte, die sie
ausstrahlen, Nähe und Ferne, die beim Anschauen empfunden werden können, zeigen
die Werke der Künstlerin neben ihrer farblichen und räumlichen Sinnlichkeit
auch eine zeitliche Dimension, die sich durch den Sehprozess der BetrachterInnen
wie von selbst ergibt. Es sind Bilder, die sich nicht auf den ersten Blick
erschließen, sondern sich erst nach und nach allmählich öffnen. copyright liegt beim autor
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