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einführung von elke krasny zu cynthia schwertsik hoch³ gehalten am 22.03.2004 |
eine frau hebt ab. sie springt los. in den raum. das ist doch keine hexerei, so beginn man sich zu fragen. ihr schatten fällt auf die pflastersteine. den besen hält sie fest umklammert. und diese frau lenkt den blick auf den raum, auf die fassade. wo ist sie hier? was macht sie hier, mit ihrem besen? cynthia schwertsik versetzt den raum in bewegung. entstanden ist die aufnahme bei einem kunstfestival in warasdin in kroatien. die intensiven farben, sie gehören zur fassade des warasdiner rathauses, amtshauses. dort wurden die fotos auch zum ersten mal präsentiert. die entschlossene bewegung, sie bleibt hängen, wenn man das foto auf sich wirken lässt. und auch die spannung zwischen dem, was so einfach aussieht, und es nicht ist, dem, was wie gezaubert (heute würde man vermuten digital gezaubert ist) und doch eine echte bewegung, wirklich fotografiert ist. also nicht digital komponiert, nachträglich hergestellt, sondern ganz real mit dem eigenen körper in raumerfahrung umgesetzt. bewegung ist eine der entscheidenden erfahrungen von cynthia schwertsik, in ihrer künstlerischen herangehensweise, aber auch in ihrem leben. wirft man einen kurzen blick auf die stationen ihres lebens, so lesen sich die stationen wie ein galoppierender vorbote auf heutige globalisierter lebensläufe. geboren in wien, aufgewachsen in kalifornien, in südengland, in schweden. dann in salzburg, auf dem land, und dort hat sie sich auch zum ersten und einzigen mal, wie eine migrantin gefühlt, sagt cynthia schwertsik, in ihrer jugend in salzburg. in salzburg hat sie dann auch studiert, textildesign und die liebe zum arbeiten mit materialien, zum gestalten am material ist ihr auch geblieben. dann hat sie in graz und wien studiert, kunst und tanz. heute lebt sie mit ihrem mann, dem bildhauer red white, abwechselnd im burgund in frankreich und in wien. immer wieder packt sie das reise-gen. und sie bricht auf, um woanders konzentriert zu arbeiten, fährt kurzentschlossen, wie unlängst mit dem gerade geborenen baby für drei wochen zu ihrer mutter nach teneriffa, wo sie dann erstmals begonnen hat, sich in der ihr eigenen darstellungsart mit stilleben auseinanderzusetzen. ihr ausflug in die kunstgeschichte, wie sie es nennt. doch zurück
zur bewegung. auch die auftrittsorte und stationen sind internationale,
von wien bis frankfurt, paris bis kopenhagen, new york bis st. petersburg.
diese künstlerin ist viel herumgekommen, hat viel gesehen und ein
großes interesse für arbeiten mit dem körper und mit
dem raum. sieht man den absprung mit besen lange genug an, evoziert
sich für mich ein anderes bild aus dem kunsthistorischen fundus.
ein bild in schwarz-weiß. ein bild, auf dem ein mann den absprung
wagt vom fensterbrett aus. ich denke an den sprung in die leere von
yves klein im jahr 1960. die überschrift hieß ein mann im
raum und mit leichtigkeit lässt sich dieser titel auf den sprung
von cynthia schwertsik umdeuten - eine frau im raum. die skulptur von
ihrem sockel befreien, ist seit langer zeit sein anliegen. heute muß
der maler des raums tatsächlich in den raum gehen, um zu malen,
aber er muß dies ohne tricks , ohne betrug tun, und auch nicht
mit einem flugzeug, einem fallschirm oder einer rakete. er muß
aus eigener kraft gehen. kurz, er muß in der lage sein, in die
luft aufzusteigen. ich bin der maler des raum, sagte yves klein, seien
wir ehrlich, um den raum zu malen, muß der maler sich direkt vor
ort begeben, in den raum selbst. springt yves klein in die leere, so
springt cynthia schwertsik ins konkrete. sie lässt den raum entstehen,
mit und durch ihren körperlichen einsatz. und so lässt sich
das motiv des absprungs in den raum, wie sie es auch auf der karte zur
einladung für den heutigen abend verwendet hat, wie ein motiv ihres
arbeitens lesen. körper und raum, menschen im hier und jetzt, und
der schatten, den die menschen, die dinge, in den raum werfen, das sind
ihre themen, immer wiederkehrende motive ihres arbeitens, welch unterschiedliche
materielle formen und ausgestaltungen diese auch annehmen mögen.
was für yves klein in der körperbeherrschrung judo war, er
hatte auch den schwarzen gürtel, ist für cynthia schwertsik
yoga, atemübungen und körperkonzentration. seit zwanzig jahren
ist sie eine intesnive körperarbeiterin, die auch vor anstrengung
und dem einsatz des eigenen körpers nicht zurückscheut. für
heute hat sie einen einblick in ihr arbeiten mit der sogenannten zentrifuge
mitgebracht. seit knapp zehn jahren begleitet sie die zentrifuge zu
unterschiedlichem ästhetisch explorierendem tun. ursprünglich
für einen bühnenraum entstanden, der so klein war, dass sie
sich genötigt fühlte, einen noch kleineren, noch anstrengenderen
bewegungsraum auf diese bühne zu stellen, wurde die zentrifuge
bald zu einem überaus anstrengenden und anregenden fortbewegungsmittel
für sie. eine zentrifuge, das ist ein schleudergerät zur trennung
von substanzen mit hilfe der zentrifugalkraft. wie zum beispiel bei
der altbekannten wäscheschleuder. bei der bewegung eines körpers
auf einer gekrümmten bahn, wirken die zentrifugalkräfte als
nach außen gerichtete kräfte, soweit die physikalische definition.
aber auch im übertragenen sinn wirken die kräfte von cynthia
schwertsiks zentrifuge nach außen. sie nehmen raum, sie beanspruchen
aufmerksamkeit und sie sind im wahrsten sinn des wortes laut-stark.
beginnt sie sich als antriebskraft in die zentrifuge, so bedeutet das
einen enormen physischen kraftaufwand. länger als fünf minuten
am stück mit der zentrifuge durch die stadt gehen, das geht nicht.
dann braucht man eine pause, muß innehalten. die wahrnehmung gerät
ins schleudern, langsam, aber sicher, immer schneller. die fixpunkte
verlieren sich, die anhaltspunkte für den blick ebenso. die außenwahrnehmung
wird chaotisch, feststehende perspektiven geraten ins wanken. und so
wie beim absprung mit hexenbesen ist es auch bei der zentrifuge ihr
eigener körper, der den antrieb und die bewegung liefert. hier
geht es nicht um hochtechnisierte fortbewegung, sondern um scheinbar
einfache dinge, die komplexität entfalten und sich nicht auf ein
hochtechnisiertes instrumentarium als prothesen des körpers verlassen.
das raum-nehmen war ihr damals, vor ungefähr zehn jahren, als die
zentrifuge gebaut wurde, auch ein biografisches anliegen. damals hat
sie ihr erstes kind bekommen, ihren sohn max. und sie hatte das gefühl,
dass muttersein in unserer gesellschaft oft auch ein zu-hause-sein bedeutet,
ein ausschluß vom öffentlichen raum oder eine zuweisung an
ganz bestimmte räume in der öffentlichkeit wie parks, einkaufen,
kinderspielplätze. und da hatte sie ganz stark das gefühl,
sich mit ihrem lauten und beschwerlichen vehikel raum nehmen zu müssen.
dieses hier bin ich und bahne mir meinen weg in all seiner anstrengung
auf die straße stellen zu müssen. und die zentrifuge ist
für sie in ihrem potenzial noch nicht ausgereizt, es wird weitere
einsätzmöglichkeiten und entdeckungsreisen geben, eventuell
ein experimentieren mit kamera direkt an der zentrifuge, um den blick
des dings einzufangen und an andere weiterzugeben. copyright
bei der autorin <-- zurück |