<-- zurück
bodo hell
zu josef adam moser (reflection) und angelika kathrein (verdichtungen)
gehalten am 19.06.2006

beim ersten Betreten dieses Ausstellungsraums der A41-Galerie im Hof ergibt sich für den Besucher ein erfreulich konzises Ensemble von Bildern und Objekten, überraschenderweise (darf ich sagen), zumal wenn man sich bewußt macht, daß da die Werke zweier KünstlerInnen-Persönlichkeiten aufeinanderstoßen, die zwar auch sonst eng kooperieren, doch von ziemlich entfernten Positionen zu je eigenen Bildlösungen kommen: Angelika Kathrein als geduldige malerische Überschreiberin von Buchstaben und Strukturelementen auf der Rechteck- und Quadratfläche, die Tiefe des Bildraums schichtenweise öffnend oder auch verschließend, Josef Adam Moser, von dem wir auch 3 Standobjekte frei im Raum sehen, als beharrlich experimentierender Magier des indirekten Farblichts, der sich in immer neuen Anläufen dem Phänomen der unberechenbaren Farbmischung stellt, wie von den Ergebnissen seiner Recherche selbst überrascht und also immer wieder neu den Auswirkungen seiner einmal gefundenen Grundkonstellation auf der Spur. Insoweit bleiben also beide Ansätze bei aller kalkulativen Anordnung und Voraussetzung mit dem jeweils ungewissen Ausgang ihrer Bemühungen konfrontiert, in den Verdichtungen genauso wie in den Farbmischungen.
Wenn wir von den delikaten Einladungskarten zu dieser Ausstellung und somit von den ersten Bildvorstellungen ausgehen, die jemandem, der nichts davon weiß, was ihn erwartet, zu Gesicht gekommen sind, könnte es sein, daß wir diese 2 PostkartenMotive in situ als erstes suchen, und da fällt es uns mit der grünen Schüsselung Angelikas, die gleich wiedererkannt wird, sicher leichter als mit den 6x6-Pappschachtel-Rechtecken Josefs, die mit ihren 3 vertikalen und 2 horizontalen Farbstegen ein komplex changierendes Gesamttableau ergeben, das sich der Reproduktion von einem Blickpunkt aus und also auch auf der Postkarte (es sei denn, sie arbeitete mit 3-D-Effekt) in seiner Fülle eo ipso entzieht, d.h. seine Foto zeigt eine zentralperspektivische Momentaufnahme, die man als Beschauerin erst bewußt einnehmen muß, um zum Wiedererkennen zu kommen.
Sie sind als Besucherin natürlich bereits in Raum herumgegangen und haben vielleicht bei der erschwinglichen Schachtelpräsentation da vorne mit der Wahrnehmung begonnen, bei einer Kleinedition von 8 unterschiedlichen Kartons (Titel FARBRAUM) mit leicht glänzendem Alupond-Hintergrund, deren Originaleinfärbung man auch hier nicht sieht und deren Farbverlauf sich jeweils anders darstellt, genauso wie die differenten Stege und Abteilungen der Vorblendungen. Im gespeicherten Farblicht, das sogar bei spärlicher Naturbeleuchtung noch Wirkung zeigt, saugt sich das Auge an der Farbe fest und erfährt somit, was Farbe an sich vermag, ohne ihre vordergründig abbildende Funktion etwa auf der Leinwand des traditionellen Natur-Abbilds (Porträt, Akt, Landschaft, Stillleben etc.) auszuspielen. Der Farbspeicherungseffekt bei diesen Kunstobjekten selbst in der Dämmerung ähnelt in gewissem Sinn einer natürlichen Erscheinung, wenn man nämlich im Herbst nach Sonnenuntergang durch den goldenen Lärchenwald geht und die Baumkronen von innen heraus leuchten sieht. Auch im scheinbar spiraligen Hochhausmodell, das sich durch ansteigende Farbverteilung wie von selbst zu drehen beginnt und in jenem jalousienhaften Farbschacht, der später einmal brunnentief bis hinunter zum Boden und ins dortige Dunkel hinein reichen soll (jetzt endet er auf der Sockeloberfläche), zeigt sich das bewegende Element der Darbietung und fordert somit die bildgebende eigene Beweglichkeit des Betrachters heraus, d.h. er muß sich das Bild von verschiedenen Positionen und deren Übergängen heraus erschauen.
Angelikas Tiefenschichtbilder dagegen fordern die stillstehende Betrachtung, so lange, bis das einzelne Pinselstrichzeichen aus dem schönen Wirrwarr wie eine Botschaft zur Orientierung heraustritt, obwohl die Künstlerin selbst das Bild während des feldweisen Überschreibens mittels Tusche auf grundiertem Papier mehrmals gedreht und verschoben hat, wobei ein ungeplanter Raster entstanden ist und die Pinselansätze und Abhebepunkte zusätzlich belebende Bildmarken in die quadrierte Landschaft setzen, beim grünen Postkartenbild mit bogenförmigen Elementen, die sich mal zu gotischen Buchstaben, mal zu Mandorla-Kapseln formen, nicht nur der Appell zur geheimschriftlichen Entzifferung spricht uns an, der Lesezwang allgemein fördert dieses und jenes Buchstabenhafte und Piktographische zutage, ohne welches wir uns in der heutigen Bildwelt ziemlich verloren vorkommen müßten, zusätzlich drängen auf dem grünen Schüsselbild die helleren Noppen an den Ecken der Einzelquadrate deutlich in den Bildvordergrund und erzeugen in der Fernbetrachtung gar einen plastischen Effekt.
Angelikas Buchstabenbilder tragen die Titel Todesfuge, die Devise lautet (wobei alle kursiven Wörter des Büchls in Versalien verwendet wurden, weiters: mittendrin (wo ein Stück des Textes in der Mitte des Buchs abgeschrieben wurde, u.z. so oft, bis das Bild quasi schwarz geworden ist), die Rahmung in Passepartouts und hinter entspiegeltem Museumsglas gibt mit räumlicher Tiefe den Bildern eine zusätzliche Dimension, bei partieller Computervergrößerung der Fotos einzelnen Bildquadrate, die sich bei der Überschreibung gebildet haben, könnte man dann leichter die einzelnen verwendeten Buchstaben wiedererkennen und dabei würde der sonst palimpsestische Charakter der Blätter zurückgedrängt.
In dem türkisfarbenen Bild, das nach Auskunft der Künstlerin aus dem Wort Wasser aufgebaut ist, meint man unter der vibrierenden Oberfläche gar Fische zappeln oder islamische Namenskartuschen stehen zu sehen, durch die 2 -ss- des Wortes Wasser bekommt das quadratische Bild zusätzlich bei unterschiedlicher Zeilenbreite etwas Fließendes.
Josefs radikalst einfaches Indirekt-Farb-Wandobjekt besteht nur aus einer 5-Fenstervorblendung vor der Zimmerwand und ihrer jeweiligen Wandfarbe, hier weiß und etwas rauh, wobei die hinterblendeten Farben in alle Richtungen fließen. Überprüfen Sie bitte selbst, wie weit vom Fensterobjekt weg noch Farbausstrahlungen im Umkreis wahrzunehmen sind. Würde die Fensterplatte ohne Fixierung etwa mittels Magnetfeld frei vor der Wandfläche in Schwebe gehalten (mit dem Magnetfeld gar verschiebbar), wäre die Elevation, die sich dem Betrachter auch körperlich mitteilt, wohl bis ins Unglaubliche gesteigert. Ein zusätzlicher unvorhergesehener Effekt entsteht bei diesem Bild dadurch, daß sich darunter der panoramatisch-horizontale weiße Heizkörper befindet, der jetzt dann bei jeder weiteren Ausstellung des Bildes mitreisen müßte, so bildkonstellativ zeigt er sich (ich weiß nicht, ob Niki Knopp und Helen und Heinz Rupertsberger so einer Idee nähertreten könnten).
Angelikas sogenannte analytische Bilder (aus Strukturen aufgebaut, einmal in warmen Tönen, dann wie eine düstere Hochhausfassade mit einzelnen erleuchteten Fenstern) lassen die Betrachtung ins Unendliche weitergehen, insoweit es das Werkzeug und der Bildträger nur erlaubt.
In den jüngsten Objekten von Josef scheint sich die Originalfarbe noch stärker als bisher der Lokalisierung zu entziehen, ins Innere des Quasi-Gebäudes zurückzuziehen, beim vieleckigen Kartonobjekt mit den 4 großen Farbebenen ist kein Farbschlitz mit einem anderen identisch, zugleich scheint uns die geschlitzte weiße Säule durch Verleimung und versteckte Haltestege ziemlich stabil zu sein.

[...]

copyright beim autor

<-- zurück                                                          nach oben